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Was introvertiert sein wirklich bedeutet

„Leonie ist eher introvertiert, die spricht nicht so gerne.“ Schon ist er da, der Stempel. Stimmt das jedoch wirklich? Was passiert, wenn wir umgangssprachlich Konzepte in Verbindung bringen, die nichts miteinander zu tun haben? Lass uns einen Blick hinter die Kulissen werfen, was es wirklich bedeutet, ein introvertiert veranlagter Mensch zu sein - und wie du deine Stärken als introvertierte Person in der Arbeitswelt einsetzen kannst.

Was oft mit introvertiert sein in Verbindung gebracht wird - jedoch so nicht stimmt.

“Introvertierte Menschen reden nicht viel, sie sind schüchtern, unsicher und immer leise. Sie gehen in der Masse unter, weil sie sich nicht zu Wort melden und als stille Beobachter:innen einem Gespräch beiwohnen. Aus Angst vor sozialen Kontakten ziehen Introvertierte sich zurück.”

 

Kommt dir das bekannt vor? Wurdest du mit diesen Aussagen schon einmal konfrontiert oder hast sie über jemand anderen gedacht? Von außen betrachtet lässt sich oft kein Unterschied zwischen Schüchternheit und Introversion feststellen, wodurch Missverständnisse und ein falsches Bild von Introvertierten entstehen können. Das Innenleben eines Menschen würde uns mehr darüber verraten, jedoch ist für uns schließlich nicht einsehbar, was andere denken und fühlen.

Schüchterne Menschen haben Angst vor sozialen Kontakten, denen sie sich nicht gewachsen fühlen, es ist also ein Ausdruck von Ängstlichkeit. Sowohl Extra- als auch Introvertierte können also schüchtern sein, da es nichts mit den anderen Merkmalen der „Version“ zu tun hat.

Es kann natürlich sehr wohl vorkommen, dass ein introvertierter Mensch zugleich schüchtern ist: Häufig ist dies jedoch ein antrainiertes Verhalten, das dadurch entstehen kann, dass zwischen dem Wunsch nach Ruhe und der Forderung der Gesellschaft, aus sich herauskommen zu müssen, eine Kluft besteht.

Der Unterschied zwischen Schüchternheit und Introversion lässt sich wie folgt zusammenfassen: Schüchternheit beschreibt eine Angst vor sozialen Situationen, die beispielweise durch schlechte Erfahrungen zustande gekommen sind. Introversion hingegen ist einfach eine Persönlichkeitseigenschaft, die mit ganz eigenen Stärken ausgestattet ist.

Woran du Introversion erkennst - die entscheidende Frage.

Die wichtigste Frage, wenn es darum geht, ob jemand extravertiert oder introvertiert ist, ist:

 

Woraus ziehst du Energie?

 

Introvertierte ziehen ihre Energie aus der Ruhe, sie verarbeiten neue Eindrücke langsamer und sind durch zu viele Reize schnell überfordert. Gespräche mit einzelnen Personen und ruhige Orte sind ihnen lieber. Introvertierte Menschen scheuen das Risiko und setzen lieber auf Sicherheit.

Extravertierte ziehen ihre Energie aus dem Austausch mit anderen, sie verarbeiten neue Eindrücke sehr schnell und suchen nach vielen Reizen. Sie fühlen sich in großen Gruppen wohl und wollen Action. Extravertierte Menschen lieben das Risiko und wagen gerne etwas Neues.

Welche 4 Fragen bei der Orientierung zu Persönlichkeitstypen helfen

 

Wie kannst du herausfinden, was deine Persönlichkeit ausmacht?

Dabei kann dir die sogenannte „Typenlehre“ nach Carl Gustav Jung helfen. Bei dieser Typenlehre wird von vier psychologischen Dimensionen ausgegangen, mit denen unsere Persönlichkeit beschrieben werden kann. Unter einer psychologischen Dimension versteht man, dass es zwei theoretische Endpunkte und dazwischen viele Abstufungen gibt.

Die erste Dimension beschäftigt sich mit Extra- und Introversion: Extravertierte sind gesellige Menschen, die Abwechslung lieben. Bei Kontakt mit anderen Menschen blühen sie auf. Introvertierte hingegen sind ruhig und lieber allein, da sie diese Zeit brauchen, um Kraft zu schöpfen. Dies sind natürlich die jeweiligen Extrempunkte des Spektrums, zwischen denen sich die meisten ansiedeln. Mit welchem der beiden Punkte kannst du dich eher identifizieren?

Die zweite Dimension untersucht die Wahrnehmung eines Menschen: Nimmst du eher konkret oder abstrakt wahr? Konkret-Wahrnehmende sind meist pragmatisch veranlagt, detailgetreu und lieben Hard Facts. Abstrakt-Wahrnehmende hingegen suchen nach Zusammenhängen und haben oft einen Blick für das große Ganze.

Die dritte Dimension beschreibt die Entscheidungsfindung: Wonach fällst du Entscheidungen? Denkentscheider:innen analysieren die Situation und entscheiden häufig nach faktischen Gesichtspunkten. Fühlentscheider:innen bedenken bei Entscheidungen andere Menschen und größere Zusammenhänge. Sie sind auf Harmonie und Ausgleich bedacht.

Die vierte Dimension der Typenlehre betrifft die Herangehensweise: Wie gehst du Herausforderungen an? Organisierte Menschen zeichnen sich durch ihr Zeitmanagement aus und sind gut strukturiert. Aufgaben zu beenden, ist sehr wichtig für sie. Lockere Menschen sind anpassungsfähiger und flexibler. Sie bringen eine Sache nicht zum Abschluss, weil sie Angst haben, etwas anderes zu verpassen.

 

Wo würdest du dich verorten? Was ist dir am wichtigsten?

Tipps für den Umgang mit Introversion

 

Falls du festgestellt hast, dass du dich auf dem Spektrum von Extraversion-Introversion eher oder sogar sehr auf der introvertierten Seite befindest, kommen hier ein paar Tipps für den Umgang mit Introversion:

Selbstakzeptanz und Verständnis

Introversion ist eine natürliche und wertvolle Persönlichkeitseigenschaft. Viele erfolgreiche Menschen sind introvertiert. Um gesund durchs Leben zu gehen und in dein volles Potenzial zu kommen, ist es essenziell, dich selbst anzuerkennen und zu akzeptieren, wie du bist, anstatt zu versuchen, extravertiert zu sein.

Was dir zur Selbstakzeptanz verhelfen kann:
 

  • Positives Selbstgespräch - Hast du schon aus der Vogelperspektive beobachtet, wie du in Gedanken mit dir selbst sprichst? Was du zu dir selbst sagst? Falls du dein introvertierten Eigenschaften selbst abwertest, hilft eine Umdeutung. Susain Cain erinnert uns daran, dass viele der größten Denker und Künstler introvertiert waren und ihre Introversion als Quelle ihrer Kreativität und Weisheit sahen (Cain 2012).
     

  • Anerkennung der eigenen Bedürfnisse - Du darfst deine Bedürfnisse nach Ruhe und Alleinsein anerkennen und respektieren, anstatt dich dafür zu entschuldigen. Laurie Helgoe (2013) betont die Bedeutung dieser Anerkennung für das eigene Wohlbefinden und auch Produktivität.
     

  • Stärken herausarbeiten - Da wir in einer Welt leben, die oftmals extravertierte Eigenschaften als Stärken anerkennt, ist es für introvertierte Menschen essenziell, auch ihre Individualität als Stärke zu sehen und zu kommunizieren. Je mehr Bewusstsein du für deine Stärken hast, desto eher ist dies möglich. Falls du dir hierbei Unterstützung wünschst, wende dich gern an Potenzialentdeckerin Kerstin - sie hat sich mit skill tree auf die Identifikation von Skills und persönlichen Charakterstärken spezialisiert. In einem kostenlosen virtuellen Tee-Gespräch kannst du mehr erfahren.
     

  • Unterstützung durch Gemeinschaft - Durch den Austausch mit Gleichgesinnten, die ähnliche Erfahrungen machen, kannst du das Gefühl der Akzeptanz und des Verständnisses stärken. Deshalb hier gleich die Frage an dich: Wo könntest du möglicherweise andere Introvertierte kennenlernen? In der skill tree-Community finden sich auch immer wieder introvertierte Persönlichkeiten zusammen. Du bist jederzeit herzlich Willkommen.
     

  • Selbstpflege und Achtsamkeit - Regelmäßige Praktiken wie Meditation, Tagebuchschreiben oder einfaches Innehalten können helfen, die eigene Introversion zu akzeptieren und zu schätzen
     

Energiehaushalt managen

Da introvertierte Menschen Energie aus ruhiger Umgebung ziehen und von Trubel ausgelaugt werden, ist es besonders wichtig darauf zu achten, ihre Energie gezielt einzusetzen und ausreichend Zeit für sich selbst einzuplanen, um sich zu erholen. Pausen und „Ich-Zeit“ sind notwendig, um die eigenen Batterien wieder aufzuladen. Hier kommen weitere Tipps, was introvertierten Menschen helfen kann, ihren Energiehaushalt zu managen:

  • Regelmäßige Pausen und Rückzugsmöglichkeiten - Um dich von sozialer Interaktion zu erholen, helfen regelmäßige Pausen. Kennst du Orte, an welchen du dich zurückziehen kannst? So kannst du bewusste Zeiten der Ruhe und des Alleinseins in deinen Alltag integrieren.
     

  • Strategisches Planen von Aktivitäten - Um Überforderung zu vermeiden, kann es helfen, strategisch zu planen. Dazu gehört, soziale Ereignisse in Maßen zu besuchen und genügend Zeit für Erholung einzuplanen.
     

  • Persönliche Grenzen setzen - Zu lernen, "nein" zu sagen, kann Überlastung vorbeugen. Du darfst dich auf deine Bedürfnisse konzentrieren, denn nur wenn du selbst in deiner Kraft bist, kannst du auch andere Menschen unterstützen.
     

  • Eine ruhige Umgebung schaffen - Ein ruhiger Arbeitsplatz kann die Effizienz und das Wohlbefinden von introvertieren Menschen erheblich steigern.
     

  • Achtsamkeit und Selbstfürsorge - Wenn du achtsam durchs Leben gehst, merkst du, wenn es zu viel wird. Diese Wahrnehmung hilft dir dabei, in entscheidenden Momenten eine Pause einzulegen.

Kommunikationstechniken verbessern

Obwohl introvertierte Menschen oft lieber zuhören als reden, kann das Erlernen effektiver Kommunikationstechniken helfen, ihre Gedanken und Ideen klarer auszudrücken. Dies kann durch gezieltes Üben in kleineren Gruppen oder durch vorbereitete Gesprächsthemen erfolgen, und auch durch:

  • Aktives Zuhören

  • Vorbereitung auf Gespräche

  • Nonverbale Kommunikation - Signalisieren von Offenheit und Engagement

  • Schriftliche Kommunikation als Möglichkeit, Gedanken präzise zu formulieren

Stärken nutzen

Susan Cain schreibt in "Quiet" (2012): "I have seen firsthand how difficult it is for introverts to take stock of their own talents, and how powerful it is when finally they do." (S. 7) Um deine Stärken zu nutzen, ist der erste Schritt, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Falls du hierbei gerne Unterstützung hättest, kannst du dich jederzeit an PurposeCoach und Potenzialentdeckerin Kerstin wenden - hier findest du mehr dazu.

Hier noch ein paar Tipps vorab:

  • Ruhe und Reflexion kann von introvertierten Menschen als Stärke genutzt werden. So kannst du durrchdachte Entscheidungen treffen, was beispielsweise in Führungspositionen eine klare Stärke sein kann.
     

  • Mit Empathie kannst du tiefere Verbindungen herstellen. Dies als Stärke zu nutzen, empfiehlt Marti Olsen Laney in seinem Buch The Introvert Advantage: How Quiet People Can Thrive in an Extrovert World.
     

  • Nicht in jeder Umgebung werden Eigenschaften von introvertierten Menschen als Stärke geschätzt. Umso wichtiger ist die Wahl einer passenden Umgebung für dich. Befindest du dich bereits in einem Umfeld, wo aktives Zuhören, Reflexion und Besonnenheit als Stärken wahrgenommen werden?

Netzwerken auf eigene Weise

Netzwerken ist auch für Introvertierte wichtig, kann aber auf eigene Art und Weise erfolgen. Dies könnte bedeuten, bevorzugt kleinere, intimere Veranstaltungen zu besuchen oder Netzwerke durch schriftliche Kommunikation (z.B. E-Mail oder Social Media) aufzubauen und zu pflegen.

Grenzen setzen

Es ist wichtig, klare Grenzen zu setzen und „Nein“ zu sagen, wenn die eigenen Kapazitäten erreicht sind. Dies hilft, Überlastung und Stress zu vermeiden und sich auf die wirklich wichtigen Aufgaben und Beziehungen zu konzentrieren. Oft ist das Lernen des Neinsagens nicht leicht - Unterstützung gibt es in der Soulful Change Journey.

Arbeitssituation gestalten

Wenn möglich, sollten introvertierte Menschen versuchen, ihre Arbeitssituation so zu gestalten, dass sie zu ihren Bedürfnissen passt. Dies könnte bedeuten, einen ruhigen Arbeitsplatz zu suchen, flexible Arbeitszeiten zu nutzen oder sich Zeitfenster für ungestörtes Arbeiten einzurichten.

Die Bedeutung einer passenden Umgebung für Introvertierte

 

Die Umgebung, in der wir uns befinden, liefert uns auch unsere Sinneseindrücke. Diese können über- oder unterfordern und dadurch zu einer Belastung werden. Besonders Introvertierte haben aufgrund ihres Persönlichkeitstyps spezielle Anforderungen an die Umwelt. 

Dabei ist jedoch wichtig anzumerken, dass nicht alle introvertierten Menschen dieselben Umgebungen bevorzugen: Einerseits gibt es Leute, die sich von der Hektik einer Großstadt erschlagen fühlen, und dadurch nervös und unruhig werden. Vor allem der Lärm und die vielen Menschen überfordern sie. Andererseits schätzen es andere, in der Masse unterzugehen und dadurch eine gewisse Anonymität zu haben.

Auf dem Land ist es manchmal ruhiger, es gibt weniger Menschen und dadurch auch weniger Geräusche, was grundsätzlich nach einer perfekten Umgebung für Introvertierte klingt. Jedoch kann es auch hier zu Herausforderungen kommen: In kleineren Orten kennen sich viele Menschen untereinander und dadurch kann es häufiger passieren, dass du in Gespräche verwickelt wirst. Auch können hier von dir bestimmte Verhaltensweisen erwartet werden, die du als introvertierter Mensch nicht erfüllen kannst oder möchtest. 

Bei der Auswahl der Umgebung ist es wichtig, ein Örtchen zu finden, in dem deine Bedürfnisse erfüllt werden und du deine eigene Individualität entfalten kannst.

Keine voreiligen Schlussfolgerungen über das introvertiert Sein

 

Wenn es um Introversion geht, ist es wichtig, von Stereotypen Abstand zu nehmen. Leonie ist vielleicht introvertiert, deshalb jedoch keine ängstliche Person, die sich nichts traut. Auch für Introvertierte zählt, sich nicht durch Selbstbeschreibung zu beschränken: „Ich bin introvertiert, deshalb kann ich nicht…“ Introvertiert veranlagte Menschen ziehen schlichtweg ihre Energie aus der Ruhe.

Du erkennst dich in den Beschreibungen wieder und siehst dich als introvertiert veranlagt? Schön, dann haben wir etwas gemeinsam :-) Lass uns den Fokus auf unsere Ruheoasen legen, um unser volles Potenzial zu entfalten:

In der Ruhe liegt die Kraft.

Zu sehen ist: Kerstin Schachinger
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